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AutorenbildKremena Doynov

Wovor fürchten Sie sich? Die Stressfragen!


Über die Stressfragen im Interview werden viele Geschichten erzählt. Meist furchterregend. Nicht selten mehr Mythen als Fakten. Tatsache ist aber - die meisten fürchten sich davor. Als würde "die Furcht" vor einem Bewerbungsgespräch nicht schon reichen, jetzt muss man auch noch souverän und gekonnt die «seltsamen» Fragen einer «bösen» HR Person beantworten können?! Dieser Gedanke führt oft zu Schweissausbrüchen - auch bei sonst lockeren Menschen.

Vorweg die schlechte Nachricht. Stressfragen, oder sagen wir eher - für den Bewerber unangenehme Fragen - kommen praktisch in jedem Interview vor. Sie haben Glück, wenn Sie von sich sagen können, Fragen, egal welcher Art, nicht unbedingt als «stressig» zu empfinden. Das ist in Ordnung, vorausgesetzt Sie meinen damit nicht dauernd «den Cool Man» raushängen zu müssen. Es ist ideal, wenn Sie zu diesen Menschen gehören, die die Gabe besitzen, spontan, sympathisch und authentisch auf «unbequeme» und/oder «komische» Fragen zu antworten. Sie gehören aber zu einer seltenen Art, denn viele von diesen Virtuosen gibt es nicht. Und schon gar nicht in einem Vorstellungsgespräch.

Was sind überhaupt «Stressfragen»? Die Meinungen darüber teilen sich, wie so viel anderes. Abgesehen von denjenigen, die sowieso das ganze Interview als «den reinsten Stress» empfinden, gibt es auch Menschen, die sogar die Frage nach den eigenen Stärken und Schwächen, oder die Frage nach Erfolgen und Misserfolgen als eine «Stressfrage» bezeichnen. Dem würde ich klar widersprechen. Eine Frage auf die man auch nur die geringste Möglichkeit hat sich vorzubereiten, kann nicht im eigentlichen Sinne als eine «Stressfrage» bezeichnet werden. Egal wie Sie diese empfinden. Schliesslich sollten Sie doch fähig sein, sich zu kennen und diese Kenntnis entsprechend auf die Firma und die beworbene Position zu reflektieren. Genauso sollten Sie auch in der Lage sein, über Situationen aus Ihrem Leben zu sprechen, die Sie auch heute «so lösen würden» (Erfolge) oder eben «anders» (Misserfolge).

Verschiedene Quellen bezeichnen verschiedene Merkmale, die eine Stressfrage ausmachen. Im Allgemeinen gilt: eine Stressfrage ist jede Frage, die «losgelöst» vom Gesprächsthema platziert wird (Was würden Sie mit einem Lottogewinn anstellen?). Eine Frage die «aus der Luft gegriffen» und rätselhaft scheint (Kann man aus neun Kugeln mit zweimaligem Wiegen die schwerste bestimmen?). Eine Frage die zu mindestens in Ihren Augen keinen Sinn ergibt (Der Beispiel-Klassiker: Mit welchem Tier würden Sie sich vergleichen?). Eine Stressfrage ist auch jene Frage, die Sie nicht einfach – aus der persönlichen Erfahrung heraus – beantworten können (Auf welcher Titelseite eines renommierten Hefts würden Sie sich gerne sehen und warum?). Stressfragen sind auch jene Fragen, dessen Antworten Sie zwar «wissen», jedoch selber mit den Antworten darauf «hadern» (Wie erklären Sie Ihre mehreren Stellenwechsel in den letzten 5 Jahren? oder Warum haben Sie selber gekündigt?).

Generell kann man sagen, dass Stressfragen provokative Fragen sind, die Sie aus der Reserve locken.

Aber wofür sind denn die Stressfragen überhaupt gut? Warum können wir nicht wie zwei erwachsene Menschen, locker und ebenbürtig, über die zu besetzende Stelle sprechen?, fragen Sie sich vielleicht.

Ganz einfach: Die HR Person will auch Informationen über Sie entlocken, die nicht aus dem Papierstapel vor ihr herauszulesen sind. Ein weiterer Grund für solche Fragen ist auch, dass der Interviewer Sie in einer «unvorbereiteten» Situation erleben möchte. Es kann auch sein, dass der Interviewer im Laufe seiner Vorbereitung mit Ihrem Dossier auf Aussagen (Zeugnisse) und Details (CV) gestossen ist, die Fragezeichen hervorgerufen haben. Nicht zuletzt auch - Sie stehen in Konkurrenz mit anderen, also die Reaktion auf Stressfragen ist eine gute Möglichkeit herauszufinden, wer «besser passt», und zwar nicht unbedingt fachlich. Denn eines ist klar – die sog. «Stressfragen» zielen nicht auf Ihre berufliche, sondern auf Ihre sozialen Kompetenzen ab. In der einen Stunde Vorstellung möchte sich eine gute HR Person nicht nur ein Bild über Ihre Expertisen machen, sondern Sie auch als echten Menschen erleben.

Und jetzt? Was machen Sie? Wie beantworten Sie solche Fragen? Was sind das konkret für Fragen?

Sie werden staunen wie viele Stressfragen-Beispiele Sie auf Google finden würden. Aber Achtung, kommen Sie gar nicht auf die Idee diese stundenlang zu studieren und Ihre Antworten bereit zu stellen. Das Ziel ist eben genau umgekehrt – die Antworten nicht wie «aus der Kanone geschossen», auswendig gelernt, künstlich wirkend «aufzutischen». Bedenken Sie, eine gute HR Person wird das nicht nur merken, er oder sie wird auch in der Lage sein, Sie mit Fragen zu konfrontieren, die «umformuliert» sind und in Ihrem «Vorbereitungsrepertoire» fehlen. Glauben Sie mir, dann kommen Sie erst recht und echt ins Schwitzen!

Viel, viel wichtiger ist Ihr Vorgehen, wenn Sie spüren «so, jetzt ist es soweit».


Hier einige Regel

  1. Bleiben Sie ruhig!

  2. Nehmen Sie die Frage auf keinen Fall persönlich. Auch dann nicht, wenn das Ihnen – aus irgendeiner persönlichen Erfahrung – besonders schwer fällt (Wie finden Sie es, geführt zu werden?).

  3. Nehmen Sie sich Zeit. Sie DÜRFEN schweigen… ein paar Sekunden lang!

  4. Lassen Sie in dieser kurzen Zeit jegliche Gedanken der Sorte «Was genau will er/sie jetzt hören? Welche Antwort wird gefallen? etc.» weg!

  5. Bei den echten Stressfragen ist keine Antwort richtig oder falsch! Oder anders ausgedruckt es geht nicht um faktische Inhalte. Es kommt einzig und allein auf das Ziel dieser Frage an, d.h. was diese über Sie bzw. Ihre Soft Skills aussagen soll.

  6. Egal wie Ihre Antwort lautet, versuchen Sie immer die Aussage positiv zu beenden.

  7. Um etwas Zeit zu gewinnen sagen Sie zum Bsp. «Gute Frage, lassen Sie mich bitte einen Moment überlegen». Doch übertreiben Sie es nicht mit dem Lob (für die Frage) indem Sie jede Antwort mit dieser Floskel starten.

  8. Denken Sie stets daran – es geht nicht primär um Ihre oberschlaue Antwort. Erst recht nicht, wenn es sich um Fragen der Kategorie «aus der Luft gegriffen» handelt (sog. Brainteaser). Es geht um Ihre Reaktion darauf! Und um Ihre Vorgehensweise!

  9. Wenn es passt und Ihnen die Antwort sehr schwer fällt, sagen Sie etwas wie «Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, doch denke ich…».

  10. Bleiben Sie authentisch, glaubwürdig, sympathisch, objektiv.

  11. Ihre Menschenkenntnis ist sehr gefragt! Wenn auf Grund des bisherigen Ablaufs des Gespräches und Ihrer Einschätzung Ihres Gegenübers sich bei Ihnen das Gefühl breitgemacht hat, dass es auch Humor verträgt, dann nutzen Sie die Gunst der Stunde. Aber mit Vorsicht! Wenn Sie keine Ahnung haben, lassen Sie es lieber sein.

  12. Achten Sie nicht nur was Sie sagen, sondern auch auf Ihre Körpersprache! Blick, Schultern, Sitzposition, Gestik und Mimik…

  13. Sie schwitzen übermässig? Ein «schlechtes Zeichen»?! Kommt darauf an. Wenn sich erst jetzt auf Ihrer Stirn Schweissperlen bilden, Sie jedoch vehement versuchen «cool» zu wirken, ist das eine offensichtliche Diskrepanz. Also auch hier gilt – ehrlich und authentisch bleiben. Vielleicht sogar Ihre (Körper) Reaktion offen ansprechen und sich dafür entschuldigen.

  14. Wenn es die Frage erlaubt, beantworten Sie es indem Sie «eine eigene Story» erzählen. Kurz und bündig und immer nach dem STAR Prinzip: Situation, Task, Action, Result/Reflektion.

  15. Versuchen Sie auf jeden Fall, nicht als ein «Klugscheisser» rüber zu kommen.

  16. Geben Sie ruhig zu, wenn Sie die Frage total überfordert. Jedoch nicht zu jeder (Stress)Frage!

  17. C’est le ton qui fait la musique (der Ton macht die Musik) – tja, Sie wissen was das heisst, nicht wahr?

  18. Niemals die Frage mit einer Frage beantworten. «Ja, was würden Sie denn tun?» ist ein NO GO! Selten, wirklich sehr selten passt es bei den Stressfragen nachzufragen was genau damit gemeint ist. Fragen Sie wirklich nur dann zurück, wenn die Frage für Sie völlig unklar ist.

  19. Labern Sie nicht. Trotz Ihrer Nervosität versuchen Sie die Neigung "unkontrolliert zu sprechen" zu widerstehen. Nicht nur bei Stressfragen übrigens.

  20. Halten Sie sich an eine goldene Regel bei Vorstellungsgesprächen: Je kürzer und verständlicher Sie auf Fragen antworten, desto weniger Fläche für noch mehr Fragen bieten Sie an.

Ihre Antworten auf Stressfragen können Sie nicht wirklich üben, Ihr Vorgehen jedoch sehr wohl.

Am Schluss doch auch noch eine gute Nachricht!

Auch Profis «scheitern» oft bei Stressfragen. Denn in so einer Situation hängt so viel zusammen, was nicht unbedingt mit Ihrer Antwort zu tun hat. Zum Bsp. die ganze Atmosphäre, Dauer und Ablauf des Gespräches bis anhin, Ihre Tagesform, die allgemeine Stimmungslage Ihres Gegenübers, Ihre Mitbewerber usw. usw. Also, solange das Gespräch nicht zu einer «reinen Tortur» verkommt, wo Sie eindeutig merken, dass Ihr Gegenüber nur eines als Ziel hat – Sie zu verunsichern – können Sie getrost nach bestem Wissen und Gewissen auf die Fragen eingehen. Grundsätzlich und je nach dem können Sie mit zwei bis drei Fragen von der Art rechnen.

Und falls nicht, falls Sie zweifellos merken, dass Sie zynisch in die Ecke gedrängt werden, wenn das Gespräch schon lange nicht mehr «auf Augenhöhe» verläuft, wenn gar unerlaubte Fragen sich einreihen (Religion, politische Ansichten, Sexualpräferenz, Familienplanung etc.) – dann haben Sie immer noch «zwei Ausgänge».

Der eine ist sogar vielleicht genau derjenige, der die HR Person mit ihren Fragen bezweckt. Er oder sie möchte sehen wie Sie im Stress reagieren. Ob Sie alles über sich ergehen lassen, sich «klein machen». Ob «sich einer Autorität zu widersetzen» Ihnen grösste Mühe bereitet, und falls Sie es tun, wie wirken Sie dabei? Je nachdem wofür Sie sich bewerben, was für einen «Ton» in dieser Firma herrscht, kann Ihre Reaktion auf «Recht und Unrecht» von grosser Bedeutung sein. Also wenn es für Sie schier «unerträglich» wird – bitten Sie höflich «zurück zum Wesentlichen» zu kommen. Geben Sie zu verstehen, dass Sie zwar den Sinn und Zweck solcher «speziellen Fragen» verstehen, aber die Aufregung bei Ihnen zu gross ist. Zeigen Sie, je nach Situation, einfach Rückgrat. Das einzig Wichtige dabei ist – ruhig, höflich und sachlich zu bleiben. Und nicht «gleich» nach der ersten Frage aufzugeben.

Sollte jedoch Ihre Bitte nicht fruchten, ja gar zum Anlass genommen werden noch mehr «seltsame Fragen» zu stellen, oder sollte die Situation unangenehm eskalieren (nach dem Motto «Ich stelle Ihnen die Fragen, Sie haben diese zu beantworten und nicht sie zu kritisieren»), dann brechen Sie das Interview ab!

Sie, ja SIE, wollen bestimmt nicht für so einen Arbeitgeber tätig sein.


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